about
W E S S I
1971 in Sofia geboren 1991 Übersiedlung nach Wien 1991-96 Studium an der Akademie der Bildenden Künste, Wien, Schwerpunkt Malerei und Restaurierung, 1996 Diplom 1992 Aufenthalt und Arbeit in New York, National Academy of art and design 1999-05 Lehrtätigkeit an der Wiener Kunstschule Zahlreiche Ausstellungen in Österreich, Frankreich, Schweiz, USA, Russland und Israel. Das Projekt Babelturm in Wessis Schaffen bildet die Brücke zwischen jenen Bildräumen, die der Migration und Sprachvermischung entspringen. Einzelausstellungen: Bulgarisches Kulturinstitut Haus Wittgenstein, Wien Palais Palffy Giger Museum, Gruyerez Galerie10, Wien Dom Galerie, Wiener Neustadt ... SAFE 08 Salon de l'Art fantastique européen, Le Mont Dore Künstlerhaus, Wien Zitadelle, Berlin Galerie Sredetz, Bulgarisches Kulturministerium, Sofia |
Meinhard Rauchensteiner
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Die Welt sub specie aeterni
Anmerkung zu den Bilderwelten Wessis Wessis Bilder speisen sich aus zumindest zwei Traditionen: jener der altmeisterlichen Malerei und jener der Ikonenmalerei der christlichen Orthodoxie. Diese Einflüsse scheinen sich wunderbar zu ergänzen und doch ist ihr Zusammenspiel auch verwunderlich: denn die Kunst der Zentralperspektive, wie sie in der Renaissance zur dominierenden Darstellungsform wird, steht in starkem Kontrast zur Ikonenmalerei, die dem Prinzip der „umgedrehten Perspektive“ (Pavel Florenskij) gehorcht. Raum und Fläche als kaum zu vereinende Gegensätze. Doch wenn wir von der kompositorischen Seite, die eine Unvereinbarkeit hervorstreicht, auf die inhaltliche Ebene wechseln, dann sieht die Sache schon anders aus. Denn eines der bestimmenden Elemente der so ausdrucksstarken und verführerischen Bilder der Malerei des 16. Jahrhunderts – sei sie nun italienischer oder niederländischer Provenienz – besteht ja darin, im Bildhintergrund Ideallandschaften zu zeigen. Meist in einem flächigen Blaugrün gehalten, transzendieren sie die Figuren und Handlungen des Bildvordergrundes ins Unendliche. Die Perspektive begnügt sich nicht damit, den erleb- und erfahrbaren Raum zu vermessen, sie ist scheinbar zwingend so vermessen, den realen Raum ins Metaphysische hin zu überschreiten. Genau das aber ist eine der Kernbotschaften der Ikone: Fenster zum Metaphysischen, zum Unendlichen zu sein. Nur dass sie eine andere Strategie zur Anwendung bringt. Wo die Zentralperspektive vorgibt, nur den Raum abzubilden – um ihn dann doch zu durchstoßen -, schneidet die Ikone mitten in die Realität eine Öffnung hinein. Freilich gibt es auch enorme Unterschiede zwischen beiden Strategien, die sich aus der jeweiligen Herangehensweise – den Traditionen sowieso - ergeben. Doch geht es hier ja nicht um kunst- und kulturhistorische Evidenzen, sondern um mitunter nicht gleich offensichtliche Gemeinsamkeiten. Diese nämlich machen es möglich, dass die Bilder von Wessi auf eine einheitliche Grundlage gestellt werden. Kurz gesagt geht es um eine Haltung, die das Reale sichtbar werden lässt, indem sie das Ideale, das Idealisierte, das Trans-Reale ins Bild setzt. Denn bei aller Metaphysik ist eines klar, dass die künstlerische Tendenz zum Transzendenten immer eine Aussage über das Reale, das Hier und Jetzt in sich birgt. Oder anders: Das Transzendente, das Phantastische wird zum Vehikel, um die Wirklichkeit zu bereisen. Oder nochmals anders, um es in den Worten Simone Weils zu sagen: „Wer aktuell sein will, muss über das Ewige reden.“ Diese Haltung äußert sich bei Wessi ebenso in gefesselten Engeln wie in den Babel-Bildern, deren betörende Bevölkerung durch Menschen, Tiere und Mischwesen die Verbindung des Idealen mit dem Realen besonders sinnfällig werden lässt. Was aber hat das Alles nun mit Wittgenstein zu tun? Steht seine formale Strenge nicht in einem deutlichen Gegensatz zur überbordenden Phantasie dieser Bilder? Sicherlich nur auf den ersten Blick. Auf den zweiten nämlich wird deutlich, dass die formale Strenge, die den Tractatus von Wittgenstein durchzieht, in Malerei übersetzt nichts anderes wäre als handwerkliches Können. Sie ist eine Technik der Darstellung, nicht das Dargestellte selbst. Signifikant, nicht Signifikat. Darüber hinaus aber ist es Wittgenstein selbst, der meint, dass die Sicht auf die Realität erst durch einen idealen Standpunkt aus als richtig gelten darf. In seinen Worten: „Er [der Leser des Tractatus] muss diese Sätze überwinden, dann sieht er die Welt richtig.“ Sprache und Unendlichkeit, die Welt sub specie aeterni zu sehen, zu zeigen – sind das nicht die bestimmenden Themen des Turmbaues zu Babel? Wobei in den Bildern von Wessi sich Sprache – respektive Sprachverwirrung – als kunterbunte Ansammlung von Menschen, Tieren und Hybriden zu erkennen gibt. Hybride, die in ihrem Namen bereits die große menschliche Sünde tragen, die dem Turmbau zu Grunde liegt: die Hybris. Die menschliche Hybris, alles zu können, alles zu dürfen, gottgleich zu sein. Diese endet im Desaster. Demgegenüber wirken die flächigen, ikonenhaften, goldgesättigten Bilder von Wessi geradezu demutsvoll. Freilich, auch dort gibt es herausfordernde Blicke, gefesselte Engelsfiguren und bedrohliche Rabentiere. Es ist sicherlich kein Idyll, das hier seinen großen Auftritt feiern kann. Gottebenbürtigkeit aber liegt diesen Figuren fern. Sie sind ins Irdische verstrickt, beinahe wortwörtlich. Ihre Bilder aber sind jene eines „Abstieges“, wie Florenskij es nennt. In ihnen kristallisiert sich eine Erfahrung des Raum- und Zeitlosen in Raum und Zeit. Sie steigen nicht vom Realen zum Idealen auf, sondern lassen – als Fenster – etwas vom Idealen oder Mystischen in die Welt eindringen. Und wenn Wittgenstein schreibt: „Die Lösung des Rätsels des Lebens in Raum und Zeit liegt außerhalb von Raum und Zeit“ (6.4312), dann wird auch klar, dass diese Bilder nichts weniger machen, als uns etwas über das Rätsel des Lebens zu erzählen. Erzählen nicht im sprachlichen Sinne, denn, das wusste Wittgenstein nur zu genau, das Unaussprechliche zeigt sich. Es ist Erscheinung. Manchmal auch Bild. Meinhard Rauchensteiner ...gerade in Zeiten des Umbruchs, in welchen gesellschaftliche Gefüge sich aufzulösen beginnen, bestehende Normen ins Wanken geraten und als bisher sicher geglaubte Werte zerbröckeln, wird das Irreale, das grotesk Phantastische in der Kunst vom Rezipienten als ein innerlich überzeugendes Abbild seiner eigenen Zweifel und Seelenängste empfunden.Die Künstlerin Wessi verändert, verfremdet und übersteigert die mit unseren Augen wahrgenommene Realität, was aber nicht in eine Abkehr von Realität mündet, vielmehr findet eine Aufladung und Erweiterung derselben statt und schafft so überaus beeindruckende und beklemmende Bildzeugnisse der weithin bestimmenden psychischen Realitätsebene, getragen und gesteuert von entfesselnder Phantasie und entladender Emotion . Dämonen übersiedeln nach innen, nisten in Spalten des Unterbewussten, verstecken sich in einer Vielzahl von Komplexen, Traumata und Trieben, Begierden und Tabus; dort überleben und agieren sie... Wessi weiß darum und so visualisiert sie in den Werken ihr Gefühl von der Rätselhaftigkeit unseres Daseins und führt uns ihre Gedanken von der Entfremdung der Dinge und ihrer Bedeutung mit überzeugender Könnerschaft auf sinnfällige Weise vor Augen...gerade in Zeiten des Umbruchs, in welchen gesellschaftliche Gefüge sich aufzulösen beginnen, estehende Normen ins Wanken geraten und als bisher sicher geglaubte Werte zerbröckeln wird das Irreale, das grotesk Phantastische in der Kunst vom Rezipienten als ein innerlich überzeugendes Abbild seiner eigenen Zweifel und Seelenängste empfunden. Wessi verändert, verfremdet und übersteigert in ihrer Arbeit die mit unseren Augen wahrgenommene Realität, was aber nicht in eine Abkehr von Realität mündet, vielmehr findet eine Aufladung und Erweiterung derselben statt und schafft so überaus beeindruckende und beklemmende Bildzeugnisse der weithin bestimmenden psychischen Realitätsebene, getragen und gesteuert von entfesselter Phantasie und entladener Emotion. Dämonen kriechen nach innen, nisten in Spalten und Nischen des Unterbewussten, verstecken sich in mannigfaltigen Komplexen, Traumata und Trieben, Begierden und Tabus; dort überleben und agieren sie... Wessi weiß darum und so visualisiert sie ihr Gefühl von der Rätselhaftigkeit unseres Daseins und führt uns ihre Gedanken von der Entfremdung der Dinge und ihrer Bedeutung mit überzeugender Könnerschaft auf eindringliche Weise vor Augen. Joachim Lothar Gartner Der Babelturm in der Arbeit von WESSI Eine subjektive poetische Wirklichkeit, in vielen Bildern ist der Babelturm der Hintergrund oder Bezugssymbol, als Zeichen für die Weltlichkeit, die rationale Ordnung menschlicher Schöpfungen und im Gegensatz dazu steht die Schöpfung, die Natur und die Kunst mit ihrer immanenten Poesie, mit ihrem Potenzial des Wachsens und der lebendigen inneren und unplanbaren Entwicklung. WESSIs Bilder sind mit einer Erstaunlichen zeichnerischen und malerischen Kapazität realisiert. Mit überzeugender anatomischer Präzision und Lebendigkeit zeichnet und malt sie Gesichter, Hände, Fabelwesen und Tiere deren Gestalten und Bewegungen sich in ihren Bildern zu traumhaft schwebenden Allegorien verbinden. WESSI kommt aus einem Kulturraum des Ostens,wo sich trotz vielfacher Restriktionen gewisse menschliche und soziale Züge des Alltagslebens, eine Offenheit für feine und unabwägbare Beziehungen und Erlebnisformen, eine Sensibilität für andere Möglichkeiten des Empfindens und Erinnerns noch erhalten haben. Ulrich Gansert The Sound and the Fury / Daimonion Das Shakespeare'sche Zitat als Name des Zyklus bezieht sich auf Willam Faulkners wichtigsten Roman Schall und Wahn, dessen Ursprung in einem einzigen Bild liegt, welches er beschreibt... Das ewige Verfangensein in der Gegenwart wird aus dem Blickwinkel eines Wahnsinnigen erzählt. Die Bilder des Zyklus The sound and the fury spannen den Bogen des Sprachgebildes weiter, indem sie es ausblenden. Sie sind das Sichtbarmachen eines sprachlosen Zustandes, handeln vom Urzustand des Affektes, ohne Erzählung oder Selbstreflexion. Das Bedürfnis, den Trieben und Zwängen die oft unser Unterbewusstsein beeinflussen einen Raum zu geben, hat diese Bilderzyklen hervorgerufen. Erotik kommt uns entgegen, an der Grenze zu Angst. Schönheit und Zwang reichen einander die Hand über die Brücke der Sinnlichkeit. Ohne die Affekte zu definieren, verläuft eine Trennlinie zwischen Licht und Schatten. Die Tiergestalten in diesen Bildern wirken als Ikonen einer Archaischen Schöpfung, sie sind bildlicher Ausdruck menschlicher Triebe und Projektionen. Die alten paganischen Götter finden uns, sie befinden sich in uns. Am östlichen Ende Europas wird die umgebende Realität anders wahrgenommen - das Unbekannte, das Mystische und das Magische wie das Rationale sind gleichermaßen vertreten. Ein Schmelztiegel mehrerer kontroversieller Kulturen - Immer wieder galt es, die wiederholt zerstörte Vergangenheit mit Leben zu erfüllen, und es entstanden eigene Mechanismen für die schnelle Aneignung und Verarbeitung des von außerhalb Importierten. Der rote Faden des Paganischen Aberglaubens zieht sich durch den Alltag und hält ein Gemisch an Kulturen zusammen, das vielleicht in WESSIs Babelturmbildern seinen Ausdruck gefunden hat. Monika Heller |